Umweltpreis 2021 der Sparkasse Pforzheim Calw
Die Umweltstiftung der Sparkasse Pforzheim Calw zeichnet drei Projekte mit dem Umweltpreis 2021 aus. Die Verleihung der mit insgesamt 20 000 Euro dotierten Preise findet am 27.Oktober in Calw statt.
Die Preise gehen an:
- Drei Wissenschaftler der ZF Friedrichshafen für die Entwicklung eines Algorithmus, mit dem sich Schäden an Windkraftanlagen frühzeitig erkennen und so die Ausfallzeiten stark verkürzen lassen.
- Drei Teams der ForscheHilda AG des Hilda Gymnasiums Pforzheim, die sich intensiv mit technischen, gesellschaftlich und entwicklungspolitisch relevanten Projekten befassen: der Trinkwassergewinnung, der Pflanzenzüchtung und der Versorgung isolierter Wohnbereiche mit elektrischer Energie.
- Zwei Schülerinnen des Christophorus-Gymnasiums Altensteig für die Entwicklung eines Filters, der, in Waschmaschinen eingebaut, Mikroplastik effektiv herausholen kann.
Den mit 8.000 Euro dotierten Hauptpreis erhält ein interdisziplinäres Team von drei Forschern der ZF Friedrichshafen AG.
Den Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Stromsektor beziffert das Umweltbundesamt im Jahr 2020 auf 45,4 Prozent des Bruttoverbrauchs. Insgesamt wurden im Jahr 2020 etwa 251,0 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt. Dazu leistete die durch rund 31000 Windkraftanlagen erzeugte Energie von 131 Milliarden kWh den größten Beitrag. Der Ertrag könnte noch größer sein, würden die Windkraftanlagen nicht regelmäßig wegen Getriebeschäden ausfallen.
Drei Doktoranden der ZF Friedrichshafen AG haben sich nun zum Ziel gesetzt, die Ausfallzeiten von Windkraftanlagen zu verringern. Das Forscherteam besteht aus dem Mathematiker Jonas Schmidt (Institut für Kognitionswissenschaften), der an der Uni Osnabrück promoviert, sowie dem angewandten Mathematiker Johannes Bernhard (Institut für Technik der Informationsverarbeitung) und dem Ingenieur für künstliche Intelligenz Mark Schutera (Institut für Automation und angewandte Informatik), die beide am renommierten Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ihre Doktorarbeit schreiben.
Im Rahmen ihres Projektes entwickelten die drei Wissenschaftler einen Algorithmus, mit dem sich Anomalien in Windturbinen frühzeitig erkennen lassen. Dadurch kann die Ausfallzeit der Windkraftanlagen mehr als halbiert und die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien entsprechend gesteigert werden. Der Algorithmus basiert auf „Machine Learning“, einer Methode, bei der künstliche Systeme aus Beispielen lernen. Auf Trainingsdaten beruhend erstellen die Algorithmen ein statistisches Modell und erkennen darin Muster und Gesetzmäßigkeiten. Die Methode des maschinellen Lernens ist im Gegensatz zu neuronalen Netzen relativ einfach zu handhaben und führt zudem zu gut interpretierbaren Ergebnissen. „Über einen öffentlichen Datensatz war es möglich, den Algorithmus zu trainieren und zu testen. Dabei zeigten sehr gute Ergebnisse, dass der Algorithmus funktioniert“, sagt Jonas Schmidt.
Ob eine Windkraftanlage beschädigt ist oder nicht, erkennt der im Friedrichshafener Forschungsprojekt entwickelte Algorithmus anhand von Beschleunigungssensoren, die am Getriebe der Anlage befestigt sind. Der Algorithmus gibt für die gemessenen Beschleunigungssignale einen „Anomalie-Score“ an, der für beschädigte Anlagen hoch und für nicht beschädigte niedrig ist. Die Grundidee besteht darin, das Signal der Beschleunigungssensoren in seine Frequenzbestandteile zu zerlegen. So lässt sich berechnen, wie die Energie des Signals bei einem funktionierenden Getriebe in den unterschiedlichen Frequenzbereichen verteilt ist. Für unbekannte Daten wird nun ermittelt, wie ähnlich sie den bekannten Daten der funktionsfähigen Anlagen sind. Stellen die Beschleunigungssensoren anhand der Signale ein verändertes Frequenzspektrum fest, so deutet das auf Getriebeschäden hin.
Mit ihrem cleveren Forschungsansatz haben die Preisträger eine Lösung gefunden, um Windturbinen permanent sicher überwachen und Verschleißerscheinungen frühzeitig erkennen zu können. So lassen sich die Ausfallzeiten reduzieren und eine höhere Strommenge aus Windenergie erzielen.
Der zweite, mit 7000 Euro dotierte Umweltpreis geht an die ForscheHilda AG des Hilda Gymnasiums Pforzheim. Die Arbeitsgemeinschaft – betreut von den Fachlehrern Dr. Joachim Götz und Dr. Olena Lugova, unterstützt von Joachim Hampel, Labor-Ingenieur Hochschule Pforzheim – beschäftigt sich mit Themen aus den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, den Naturwissenschaften und Technik). Dabei spielen auch gesellschaftliche und entwicklungspolitische Aspekte eine wichtige Rolle. Insbesondere sollen auch Schülerinnen für die MINT-Themen gewonnen werden. Für die Auszeichnung waren drei Projekte maßgeblich, die durch Besuche und den Austausch mit der Partnerschule des Hilda-Gymnasiums in Tansania inspiriert wurden.
- Projekt: Wassergewinnung mithilfe von Adsorption und Desorption aus der Luftfeuchtigkeit mittels poröser Granulate.
Weltweit gesehen ist Süßwasser eine knappe Ressource. Etwa 2,1 Milliarden Menschen, insbesondere in trockenen und wüstenähnlichen Gebieten, haben keinen zuverlässigen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In solchen Regionen könnte in der Luft enthaltene Feuchtigkeit als Wasserquelle dienen, falls geeignete Materialien zur Absorption und Desorption zur Verfügung stehen. Angeregt durch die Partnerschaft mit der Ndwika Girls Secondary School in Tansania nahm die ErfinderAG dieses Problem in Angriff. In dem ForscheHilda-Projekt wurden Materialien aus porösem Granulat wie Blähton oder Superabsorber (SAP), Molsieb (MOL) und Zeolith (ZEO) auf ihre Fähigkeit zur Absorption und Desorption von Wasser untersucht. Dabei zeigten Molsiebe bereits bei niedriger Luftfeuchte eine sehr hohe „Wasserernte“, während die Superabsorber das beste Ergebnis insgesamt erzielten. Bezieht man die Preise der verwendeten Materialien mit ein, scheint das Molsieb die beste Alternative für die Wasserernte in sozial schwächeren Regionen zu sein.
- Projekt: Autarkes Gewächshaus mit optimierter Wachstumsrate und geringem Feuchtigkeitsverlust (Pflanzenkammer)
Auch diese Projektarbeit im Fach Naturwissenschaft und Technik (Kursstufe) wurde durch einen Besuch bei der Partnerschule in Tansania angeregt. Auf Grund der trockenen und heißen klimatischen Bedingungen ist der Nahrungsmittelanbau mit sehr hohem Aufwand verbunden, da Wasser äußerst knapp ist und Schatten häufig künstlich erzeugt werden muss. Die Schüler setzten sich zum Ziel, ein energetisch autarkes Kleingewächshaus zu entwickeln, das in ariden Gebieten, speziell in Entwicklungsländern, für den Gartenbau verwendet werden kann. Die elektrische Versorgung soll über ein autarkes Gleichspannungsnetz auf der Basis einer Inselanlage realisiert werden.
Eine derartige Pflanzenkammer soll es ermöglichen, mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand den eigenen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Insbesondere soll der Flüssigkeitsbedarf für das Pflanzenwachstum optimiert werden. Mittelfristig ist auch interessant, ob das Treibhaus das Risiko eines Schädlingsbefalles und von Krankheiten verringern kann. Als Versuchspflanze diente Mangold (Beta vulgaris), der in einem käuflichen Treibhaus unter verschiedenen Bedingungen angepflanzt wurde. Wasserverluste sollten vermieden und der Schädlingsbefall minimiert werden. Bei den Versuchen wurden Wassermenge, Luftfeuchte, Temperatur und Lichtregime variiert. Es zeigte sich, dass die Pflanzen in der Kammer auch unter schwierigen klimatischen Bedingungen gedeihen können. Für weitere Optimierung sind zusätzliche Versuche nötig. Dabei könnte eine automatisierte Düngeanlage sowie eine Lüftung mit geringem Wasserverlust erprobt werden.
- Projekt Aufbau eines Gleichspannungsnetzes zur Versorgung isolierter Wohnbereiche mit elektrischer Energie.
Auch dieses Projekt fußt auf den Erfahrungen mit der Partnerschule in Tansania. Regelmäßige und längere Stromausfälle treten in Ostafrika häufig auf. In ländlichen Gebieten hat ein Großteil der Bevölkerung keinen Stromanschluss. Zum Betrieb elektrischer Geräte werden häufig Einwegbatterien eingesetzt, deren Entsorgung immer mehr zum Problem wird.
Eine dezentrale Stromversorgung, etwa mit kleinen Netzen aus Photovoltaik und Akkumulatoren, könnte eine Lösung für dieses Problem werden und zudem einen Beitrag gegen den Klimawandel leisten. In Gegenden, die keinen oder nur gelegentlich funktionierenden Zugang zur öffentlichen Stromversorgung haben, ist es also sinnvoll, ein lokales Gleichspannungsnetz mit Solaranlage, Beleuchtung, Handyladestationen und Wasserpumpen aufzubauen.
Die ForscheHildaAG will deshalb in Regionen, die nur über eine unzuverlässige Stromversorgung verfügen, mithilfe von Solarzelle und Akku ein Gleichspannungsnetz mit 12 oder 24 Volt aufbauen. Die Solarzelle soll das Netz mit Strom versorgen, während der Akku überschüssige Energie sowohl speichern als auch bereitstellen soll. Das Gleichspannungsnetz soll in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstehen. Die Programme MatLab und SIMULINK dienen dazu, die technischen Abläufe im Rechner zu simulieren und zu ordnen. Zahlreiche MatLab-Simulationen legten den Grundstein für eine praktische Umsetzung der Ideen zum Bau einer Inselanlage.
Die Ergebnisse der Simulationen lassen es als plausibel erscheinen, dass das Konzept der Inselanlage erfolgreich umgesetzt werden kann. Dieses Projekt, abgespeckt und angepasst an die Bedürfnisse der Schülerinnen an der Ndwika, soll eine weitere ForscheHilda-Gruppe, unterstützt durch die Hochschule Pforzheim (Joachim Hampel), übernehmen.
Der dritte mit 5000 Euro dotierte Umweltpreis geht an Luise Florentine Mast und Hannah-Marie Zakes. Die Schülerinnen des Christophorus-Gymnasiums Altensteig konstruierten einen Filter, der – in Waschmaschinen eingebaut – Mikroplastik effektiv herausfiltern kann.
Mikroplastik breitet sich immer mehr aus, greift stark in die Umwelt ein. Die Plastikmüllabfälle sammeln sich als riesige Müllstrudel auf den Ozeanen an. Ein großer Teil sinkt auf den Meeresboden und gefährdet Fische und Meeressäuger. Die bis zu fünf Millimeter großen Mikroplastikartikel stammen aus unterschiedlichen Quellen, etwa aus Putzmitteln oder durch Abrieb von Reifen. Große Anteile liefert auch Kleidung, die Kunststofffasern enthält. In der Waschmaschine wird daraus Mikroplastik freigesetzt. Bisher können Kläranlagen Mikroplastik nicht effektiv aus dem Abwasser herausfiltern, so dass die Gewässer stark verunreinigt werden. Über verschmutztem Klärschlamm gelangen die winzigen Plastik-Teilchen dann auf die Felder und von dort in die Nahrung und in die Luft.
Hier setzt das Projekt von Luise Mast und Hannah-Marie Zakes an, Schülerinnen des Christophorus-Gymnasiums Altensteig. Sie wurden bei der Projektarbeit von Markus Schrade, Lehrer in naturwissenschaftlichen Fächern, betreut. Die Schülerinnen vermuteten, dass Mikroplastik sich beim Waschvorgang aus der Kleidung löst und so ins Abwasser gelangt. Nach einer chemischen Aufbereitung der Proben und anschließendem Mikroskopieren stellten sie fest, dass das Abwasser von Waschmaschinen tatsächlich deutlich mehr Mikroplastik enthielt als normales Leitungswasser.
Mithilfe eines CAD-Programms, in das sie sich außerhalb des Schulunterrichts einarbeiteten, konstruierten die Schülerinnen einen Filter, der dann mit einem 3D-Drucker durch die Firma Friedrich Boysen GmbH hergestellt wurde. Die Konstruktion erfüllte ihren Zweck. Die Untersuchung des gefilterten Abwassers zeigte, dass die Mikroplastik-Teilchen erfolgreich herausgefiltert wurden. Der geplante Einbau des Filters in den Abwasserschlauch einer Versuchswaschmaschine konnte jedoch wegen der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie vorerst nicht realisiert werden.